Trailparks in den schottischen Lowlands – oder: die schottische Variante des Trailridens
Manchmal möchte man die schottische Forestry Commission am liebsten umarmen, die die 7stanes Trailparks – allesamt in der südschottischen Hügellandschaft – gebaut und damit eine außergewöhnliche Infrastruktur für Mountainbiker geschaffen hat. Trails satt, alles bestens ausgeschildert, dazu meistens ein Visitor Center als Anlaufstelle, mit Bike-Shop, Leihbikes, Café, Bike-Wash und sogar Duschen, wenn man möchte.
Manchmal möchte man diese Forstbehörde und ihre Vorstellungen vom Mountainbiken auch einfach nur verfluchen. Nämlich dann, wenn man wieder einmal auf einem dieser elendig langen und meist recht technischen Anstiege hochkurbelt, mit mehr Serpentinen bergauf, als man im Leben je an einem Stück erleben möchte.
Oder wenn man das Gefühl hat – shit, den Trail, den du gerade mühselig hochkraxelst, der müßte eigentlich genial sein in der Gegenrichtung… und wieso musst du jetzt so ein irre enges, super technisches Ding wieder runter, das dir ständig den Speed klaut…?
Oder, wenn du durch einen dermaßen verkurvten Trail surfst, der eigentlich super flowig sein müßte – leider ist er nur super flach und du mußt entweder pushen wie ein Weltmeister oder du pedalierst zwischendurch wie irre… oder auf einmal kommt ein table (schön!) und dann oh! noch einer! (auch noch schön) und noch einer (na gut, einer geht noch) und dann…. oh, Wunder! noch einer! und du musst schon wieder treten wie besessen… 🙂
Um es auf den Punkt zu bringen:
7stanes-Trails sind anders. Anders, als man es sich als deutscher Mountainbiker vorstellt. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht.
Zuerst einmal: die Strecken in den meisten 7stanes-Parks sind vergleichsweise kurz bis mittelmäßig lang und dauern meist nicht länger als 1,5-2 Stunden reiner Fahrtzeit. Auch höhenmetermäßig sind die meisten Streckenprofile vergleichsweise gut zu schaffen. Mit Ausnahme der schwarzen Strecken kann man schnell mal eine kurze Runde drehen und viel länger sind die meisten Leute hier auch nicht unterwegs.
Der Unterschied zu einem Bikepark besteht nicht nur darin, daß aus eigener Kraft hochgekurbelt werden muß, sondern auch darin, daß die Trails flacher und zugleich technischer ausfallen, als man es erwartet; sie sind zumeist auf maximale Länge angelegt und daher extrem kurvig, mit zahlreichen Gegenanstiegen und technischen Extra-Features zum Spielen. Daher ist man ordentlich gefordert, soviel Speed wie möglich mitzunehmen und ständig zu pushen.
Der größte Unterschied ist aber zweifellos der:
Trailriding wird hier wesentlich mehr in Verbindung mit XC gesehen als in Verbindung mit Freeride oder Downhill. Downhill bedeutet in Schottland gleich immer die ganz krasse Abfahrt mit den ganz großen Sprüngen. Jedenfalls das, was es an offiziellen Strecken gibt.
Mountainbiken bedeutet hier grundsätzlich technisches Fahren – auf einem 15 cm breiten Baumstamm zu balancieren, Stufen hochzufahren, Sprünge bis zu 50 oder 60 cm – das ist hier alles „XC“. Darüber kann man teils nur staunen. Wenn man dann aber in einer durchschnittlichen südschottischen Kleinstadt ein paar Zwölfjährige dabei beobachtet, wie die mit ihren Hardtails ganz lässig eine steile Treppenkombi hochfahren bzw. -springen, wundert man sich eigentlich über nicht mehr viel.
Noch ein weiterer bedeutsamer Unterschied:
Mountainbiken und Trailriding ist hier ein Jedermann-Sport und wird genauso selbstverständlich von allen Altersklassen betrieben wie das Skifahren. Von der distinguierten britischen Lady, die mit ihrem dreißigjährigen Sohn zusammen ein paar Trails unter die Stollenreifen nimmt, von fünf- bis siebenjährigen (Mädels genauso wie Jungs), die schon ihre ersten Anliegerkurven fahren und von den Eltern dabei stolz gefilmt werden – von weiter fortgeschrittenen Fahrern, die sich eine Fahrstunde bei einem MTB-Guide gönnen bis hin zu fahrtechnischen Cracks – in den 7stanes trifft man sie einfach alle.
Praktisch alle Strecken in den 7stanes sind grundsätzlich auch mit einem vernünftigen Hardtail zu bewältigen – um Speed zu bekommen, ist hier vor allem eine gute Fahrtechnik nötig und nicht unbedingt ein Mehr an Federweg. Mit dem Enduro sind manche technischen Anstiege sogar ausgesprochen mühsam und den Freerider kann man für die meisten Trails getrost zu Hause lassen.
Dennoch sind die Trailparks nicht alle gleich vom Streckenangebot her. Daher hier eine kleine Auswahl der 7stanes, die ich selbst schon besucht habe und wie ich sie hinsichtlich der Streckenauswahl einschätze:
Glentress Forest (bei Peebles)
Der Trailpark mit dem größten und vielseitigsten aber auch am meisten frequentierten Streckenangebot. Super schöne Lage mit Aussicht über das idyllische Tweed Valley sowie ein sehr schönes Besucherzentrum unten im Tal.
Wer mag, kann entweder vom Tal aus auf ca. 500 Höhenmeter hochkurbeln oder auch gleich die etwas holprige Landstrasse zum Buzzards Nest Parkplatz weiter oben ansteuern, der direkt links vor dem Besucherzentrum nach oben führt und den ich als Startpunkt sehr empfehlen kann.
Parkgebühr: (oben) 5 Pfund, (unten) 3 Pfund. Jeweils für den ganzen Tag, für ein bis zwei Stunden Aufenthaltsdauer zahlt man entsprechend weniger. Kleiner Tipp: Die angezeigte Kreditkartenoption hat hier noch nie funktioniert, daher kann man auch einen Zettel ins Auto legen, wenn man gerade kein Münzgeld zur Verfügung hat. 😉 Scheine nimmt der Automat nämlich auch nicht…
Vom Buzzards Nest aus gibt es die Möglichkeit, sechs verschiedene und sehr schöne (orange markierte) Freeride-Strecken zu fahren, die zwar nicht extrem lang aber sehr variantenreich sind und eine Vielzahl unterschiedlicher Drops / Jumps / Wallrides enthalten. Gerade auch für Anfänger super geeignet, man kann sich an die verschiedenen Sprunghöhen perfekt herantasten.
Für die 7stanes-Trails genügt wie gesagt ein gutes Hardtail, für die Freeride- und Jumplines und für einige inoffizielle und naturbelassene Trails ist das Enduro die richtige Wahl.
Innnerleithen
Der einzige Trailpark (nahe bei Glentress gelegen), der den Schwerpunkt eindeutig Richtung Freeride/Downhill setzt. Großes Angebot an entsprechenden Strecken, teils zum Hochschieben, teils zum Hochkurbeln. Kein Besucherzentrum, aber ein großer Parkplatz mit Karte und Streckenmarkierungen wie in den anderen Trailparks.
Ae Forest
Trailpark, der sowohl einige anfängertaugliche Strecken fürs MTB anbietet als auch eine sehr schöne Enduro/Freeride-Abfahrt sowie eine nicht offizielle aber schöne Downhillstrecke nahebei. Landschaftlich einsam aber superschön im Wald von Ae gelegen, sehr empfehlenswert. Kleines Besucherzentrum mit Cafe und Bikeshop.
Kirroughtree
Anspruchsvolle und sehr technische Trails, Abfahrten teils über Granitfelsen. Wunderschön gelegen im Galloway National Park mit großem uralten Waldbestand, durch Canyons und an Schluchten entlangführend. Gerade auf der schwarzen Strecke ist die Landschaft atemberaubend und es ist eigentlich nie viel los. Wenig anfängertaugliche Strecken, aber für Enduristen bestens geeignet. Tolles großes und modernes Besucherzentrum, mit allem, was das Bikerherz begehrt und erfreut. 🙂
Glentrool
Absolut anfängergeeignet, eher sehr einfache Trails um den Loch Glentrool. Dennoch landschaftlich sehr schön. Eine sehr lange ausgeschilderte Strecke, die auch mit dem Trekkingbike gefahren werden kann, vorbei an alten Landsitzen und idyllischen Weilern. Kein Besucherzentrum.